Pence
Autor: Cynthia Gorney — Bilder: John Stanmeyer
«José Alberto, Murilo, Geraldo, Angela, Paulo, Edwiges, Vicente, Rita, Lucia, Marcelino, Teresinha.» Das waren doch elf, oder? Nicht zu vergessen die Totgeburt, die drei Fehlgeburten und das Baby, das nicht mal einen Tag lebte. Dona Maria Ribeiro de Carvalho, eine 87-jährige Brasilianerin mit tiefer, heiserer Stimme, hat mir gerade ihre Schwangerschaften aufgezählt. Sie mustert José Alberto, ihren Ältesten, der zu Besuch ist und auf dem Sofa eine Zigarette raucht. «Bei den vielen Kindern, die ich bekommen habe», sagt sie, und nur ein sanfter Vorwurf schwingt in ihrer Stimme mit, «müsste ich mehr als hundert Enkel haben.»
José Alberto trägt eine Trainingshose, er kommt vom Angeln. Das Wohnzimmer seiner Mutter im südöstlichen São Vicente de Minas ist gerade groß genug für drei Sessel, einen Fernseher, gerahmte Bilder von Jesus und Maria sowie ein schwarzes Kunstledersofa, auf dem er sich zurücklehnt: Professor Carvalho, emeritierter Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universidade Federal de Minas Gerais – und einer der bedeutendsten brasilianischen Demografen. Er legt die Beine hoch und lächelt. Natürlich kennt er die Zahl der Enkel. 26. Schließlich hat er jene bemerkenswerte, landesweite Entwicklung erforscht, die sich an seiner Familie ablesen lässt, als sei sie ein Miniaturmodell der Nation: In nur zwei Generationen stürzte die Fertilitätsrate der Carvalhos auf 2,36 Kinder pro Frau und steuert jetzt auf den brasilianischen Durchschnitt von 1,9 zu.
Im größten südamerikanischen Staat leben 191 Millionen Menschen, die römisch-katholische Kirche hat das Sagen, Abtreibungen sind bis auf wenige Ausnahmen illegal, die Regierung hat Geburtenkontrolle nie propagiert. Dennoch ist die Familiengröße in fünf Jahrzehnten so stark und stetig geschrumpft, dass die Kurve dieser Entwicklung einer Rutschbahn gleicht.
Und nicht nur reiche, berufstätige Brasilianerinnen